Ich gebe zu, der Titel des Artikels ist doch zu verlockend. Aber während der Schweigeminute für die Opfer rechter Gewalt am vergangenen Donnerstag hatte auch ich Zeit ein bisschen in mich zu gehen. Entstanden ist später dieser Artikel, der einfach nur ein bisschen Nachdenkstoff liefern soll.
Auf Schweigeminute müssen jetzt dringend weitere gemeinsame Schritte folgen.
Die weitere Demokratisierung der Arbeitswelt muss ganz oben auf der Agenda stehen
Die gemeinsame Schweigeminute für die Opfer rechtsextremer Gewalt, ausgerufen durch die Sozialpartner also den DGB und die Arbeitgeberverbände, war richtig und ein wichtiges, öffentliches Signal. Wir dürfen es aber nicht dabei belassen. Ganz oben auf der politischen Agenda muss die weitere Demokratisierung der Arbeits- und Lebenswelt stehen. In den Betrieben, Verwaltungen und in den Bildungseinrichtungen verbringen die Menschen einen Großteil ihrer Lebenszeit. Nur wenn dort Demokratie auch wahrhaftig gelebt wird, können wir antidemokratische Ressentiments und fremdenfeindliche Einstellungen wirksam zurückdrängen. Meines Erachtens darf es eben angesichts der festen Verankerung von extrem menschenfeindlichen Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft, nicht nur bei Solchen, wenn auch wichtigen Appellen und Mitleidsbekundungen bleiben.
Während es die politischen Vertretungen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit dringlichen Appellen sehr erfolgreich schaffen sich medial zu inszenieren, was ich im Übrigen auf der politischen Ebene für durchaus notwendig erachte, sieht es in den Betrieben also in der Thüringer Arbeitswelt ganz anders aus. Die meisten Thüringer Unternehmen sind für die Arbeitnehmer_innen Demokratie freie Arbeits- und Lebensräume. Ich schreibe Lebensräume, weil die Arbeitenden einen großen Teil ihres Lebens ja dort verbringen. Nur die wenigsten Unternehmen in Thüringen haben einen Betriebsrat oder eine Jugendvertretung (JAV) Das Ergebnis dieser mitbestimmungsfreien Arbeitswelt lässt sich in drei Zahlen direkt ablesen:
Nur 22 Prozent der Thüringer Betriebe sind Tarif gebunden.
34 % der Thüringer Beschäftigten verdienen weniger als 8,50 Euro pro Stunde
Angesichts solcher Zahlen entnehme ich dem gemeinsamen Appell der Sozialpartner, dass es nicht nur bei der Schweigeminute bleiben wird, sondern sowohl die Thüringer Arbeitgeberverbände als auch die Handels- und Handwerkskammern, sich ab jetzt aktiv für die Demokratisierung der Arbeitswelt einsetzen und in Vollversammlungen ihre Arbeitgeber dazu aufrufen sich bei den Belegschaften für Betriebsratswahlen in ihren Unternehmen stark zu machen. Die Gewerkschaften stehen als Sozialpartner auf jeden Fall unterstützend bereit und auch das Betriebsverfassungsgesetz liefert von vorne herein eine gute Arbeitsgrundlage. Ich verleihe meiner Hoffnung mit diesem kleinen Artikel Ausdruck, dass in den Thüringer Tageszeitungen demnächst eine Überschrift zu lesen ist, die da heißt:
„Thüringer Arbeitgeberverbände bitten Gewerkschaften um Unterstützung bei flächendeckender Einrichtung von Mitbestimmungsgremien“
Aber wer weiß, vielleicht habe ich, was die Teilnahme der Arbeitgeberverbände an der Schweigeminute angeht, auch wieder einfach nur etwas missverstanden. Das allerdings wäre wieder mal ziemlich schade…