Zwischenzeitlich gibt es eine Antwort vom Landrat aus dem Eichsfeld auf meinen offenen Brief. Diese verwundert mich aber noch viel mehr. Ich dokumentiere und jede/ r kann sich ein eigenes Bild machen.
Sehr geehrter Herr Witt,
hinsichtlich Ihres offenen Briefes hat Herr Dr. Werner Henning die Stellung des Landkreises in der von Ihnen angesprochenen Angelegenheit gegenüber der Presse erklärt.
Im Auftrag des Landrates gebe ich Ihnen diesen Text zur Kenntnis:
„Wie ich in Erfahrung bringen konnte, wurden der Zentralen Bußgeldstelle des Landkreises Eichsfeld von der Polizeidirektion Nordhausen ca. 70 Anzeigen wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz im Zusammenhang mit der NPD-Veranstaltung in Leinefelde aus dem vergangenen September zugeleitet. Der Landkreis steht jetzt in der Pflicht, diesen Anzeigen nachzugehen, was in der Regel mit der Versendung von entsprechenden Anhörungsschreiben beginnt. Mehr ist bisher auch nicht geschehen. Ob das so begonnene Verfahren durch Einstellung oder durch Erlass eines Bußgeldbescheides beendet werden kann, muss bis zur Auswertung der jetzt angeforderten Stellungnahmen noch offen bleiben. Da der Landkreis hier als untere staatliche Verwaltungsbehörde für den Freistaat Thüringen tätig ist, haben die zu treffenden Feststellungen ausschließlich dem Gesetz zu folgen. Politische Beurteilungen haben hiermit nichts zu tun.“
Mit freundlichen Grüßen
Ingelore Hennecke
SGL Kreistagsbüro und Pressestelle
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Landkreis Eichsfeld
Friedensplatz 8
37308 Heilbad Heiligenstadt
Hauptamt/Kreistagsbüro und Pressestelle
Email: landratsamt@kreis-eic.de
Tel. 03606/6501240/Fax. 03606/6509020
Der offene Brief:
Absender: Sandro Witt, Erfurt
Thüringer Staatskanzlei
Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht
Landratsamt Eichsfeld
Landrat Dr. Werner Henning
Polizeiliche und ordnungsrechtliche Maßnahmen gegen aktive Demokraten
Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin Lieberknecht,
Sehr geehrter Landrat Dr. Henning,
ich wende mich mit diesem Brief an sie beide aus einem Anlass, der mich schwer bewegt und gleichzeitig sehr betroffen macht. Mit ihnen sehr geehrter Dr. Hennig, stand ich genauso wie Sie, in politischer Funktion, aber vor allem auch als aktiver Bürger, gemeinsam mit vielen anderen gegen den so genannten Eichsfeldtag der NPD auf der Straße. Genauso hat es sich an unterschiedlichen Orten in Thüringen auch mit Ihnen liebe Frau Ministerpräsidentin dargestellt. Ich erinnere immer wieder gerne daran, dass wir alle gemeinsam in Pößneck aktiv waren und dort ja auch eine Veränderung herbei führen konnten, wenn ich an den Rückkauf des Schützenhauses denke. Außerdem entstand aus dem gemeinsamen Signal in Pößneck letztlich das von allen mitgetragene Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit. Aus all diesen positiven Erfahrungen heraus, habe ich also auch Mitmenschen mobilisieren können, die mit einer Demonstration in Leinefelde am 3. September 2011 ein klares Zeichen gegen den Eichsfeldtag der menschenfeindlichen NPD gesetzt haben. Diese aktiven Demokraten waren bereits am 3. September und sind jetzt weiterhin, zu großen Teilen von und ich nenne es bewusst so, staatlicher Repression betroffen. Gemeinsam mit einem Kollegen aus dem Bündnis gegen Rechts Eisenach, musste ich auf dem Weg zum Bahnhof mit ansehen, wie friedliche Menschen, welche sich auch auf dem Weg zum Bahnhof befanden, von der Polizei in einen Kessel gebracht wurden und dort erkennungdienstlich behandelt wurden. Das waren die´gleichen Menschen die vorher friedlich gemeinsam demonstriert haben. Ich habe mich dann während der polizeilichen Maßnahme an den Rand des Kessels begeben und nach dem Einsatzleiter der Polizei gefragt. Darauf hin wurden mein Begleiter und ich selbst durch 2 Polizisten in den Polizeikessel gedrängt. Eine erkennungsdienstliche Behandlung fand bei mir nicht statt, sehr wohl aber bei meinem Begleiter. Weitere Menschen, die sich auf dem Weg zum Bahnhof befanden, musste sich ebenfalls in den Kessel begeben und wurden kontrolliert. Neben der Tatsache, dass dies aus meiner Sicht ein nicht nachvollziehbares und vor allem ein rechtswidriges Verhalten der Polizeikräfte darstellt, wurden aufgrund der Kontrollen jetzt an viele meiner Kollegen, Anhörungsbögen verschickt in denen eine Ordnungswidrigkeit unterstellt wird. Die Bescheide kommen aus dem Landratsamt Eichsfeld. Die Gewerkschaftskollegen wenden sich jetzt zu Recht natürlich auch an mich und fragen mich, ob Gesicht zeigen gegen Rechts jetzt eben solche Konsequenzen in Thüringen nach sich zieht. Aufgrund eben dieser Erfahrung, welche ja nicht die Einzige in diesem Zusammenhang ist, konnte ich das leider bisher nicht verneinen. Ich musste erst einmal jedem Einzelnen raten, sich anwaltlich vertreten zu lassen.
Sehr geehrte Ministerpräsidentin Lieberknecht und auch sehr geehrter Landrat Dr. Henning.
Ich frage sie offen und ehrlichen Herzens.
Soll das tatsächlich der Umgang mit unseren aktiven Demokraten sein, den wir als Land oder als Landkreis forcieren?
Wollen wir wirklich, dass engagierte Menschen, welche friedlich und mutig Gesicht gegen Rechts zeigen, kriminalisiert werden?
Soll ich ab jetzt jedem und jeder Gewerkschaftskollegin vor gemeinsamen Aktionen gegen Rechts sagen: Ihr müsst aber damit rechnen, dass ihr für euer aktives Eintreten für die Demokratie, mit Repressionen und nichts Anderes ist das von mir Beschriebene, zu rechnen haben?
Ich kann mit diesem Brief nur an Sie appellieren und sie bitten, das von mir Beschriebene zu nehmen und ggf. überprüfen zu lassen. Herr Landrat Dr. Henning, ich habe ihre Worte noch im Kopf, welche sie gesagt haben, als sie nach der Ministerin Heike Taubert gesprochen haben in Leinefelde. Ihre Behörde ist es, welche die Bescheide jetzt verschickt. Ihre Behörde war es auch, die faktisch zuständig zeichnet, für den Polizeieinsatz. Wir können es uns nicht leisten, dass solche unsäglichen Dinge geschehen und demokratisch Engagierte jetzt über derartige Verfahren kriminialisiert werden. Sonst wird bald kaum noch jemand gemeinsam aktiv den Rechtsextremen die Stirn bieten.
Mit freundlichen aber besorgten Grüßen
Sandro Witt