Corona Demos. Inhaltsleere Aufrufe mit gefährlicher politischer Begleitmusik. Das Problem sind nicht die Masken sondern Rassismus und eiskalter Kapitalismus.

Demonstrationen, die sich wirklich lohnen

Zum 2. Mal wurde nun Berlin zum Aufmarschort für Menschen, die aus welchen Gründen auch immer, mit den bisherigen vor allem stattlichen Maßnahmen und Regelungen zur Eindämmung des Corona Virus, nicht einverstanden sind bzw. die durchaus von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen Maßnahmen entweder nicht verstehen oder direkt ablehnen. Diese Demonstrationen für sich genommen sind in einer Demokratie erstmal völlig „normal“. Vielmehr ist es die politische Begleitmusik, die uns Sorge machen muss. Denn…

… die Organisatoren der Demonstration erklären sich einfach für unpolitisch und tun so als wüssten sie nichts von den antidemokratischen, menschenfeindlichen, rassistischen und antisemitischen Gruppen und Parteien, die dieses politische Beteiligungsangebot natürlich großzügig nutzen. Das war übrigens schon in Stuttgart so und ich wage die Behauptung, dass Herr Ballweg und sein Team sehr genau wissen, wer zu diesen Demonstrationen mit aufruft. AfD, NPD und III. Weg seien nur stellvertretend hier einfach mal genannt.

Zum Vergleich und da ich auch keine Lust mehr auf diese ständige Relativierung habe. Im Jahr 2015 ff. demonstrierte Bernd Höcke in Erfurt unter verschiedenen rassistischen Claims und immer gemeinsam mit der extrem rechten Szene vor allem aus Thüringen und Sachsen. Auch hier betonte, der nach gerichtlichen Maßstäben als Faschist zu bezeichnende AfD Vertreter Höcke immer wieder, dass er, also Höcke selbst, ja nicht wissen könne wer alles auf diese Demonstrationen käme. Jene Teilnehmenden, aus dem extrem Rechten Spektrum, machten dann übrigens Jagd auf Menschen aus der demokratischen Zivilgesellschaft und überfordern dabei nicht nur die eilig zusammen gezogene Polizei, die schwere Übergriffe und dadurch verletzte Menschen letztlich nicht mehr verhindern konnte. Wer das einordnen möchte, kann in diesem Interview meinen Augenzeugenbericht von damals anhören. Hier der Link

Ich ordne diese Thüringer Erfahrung grundsätzlich mit Blick auf die derzeitigen Demos ein, weil wir uns seinerzeit in Thüringen massiven, persönlichen und körperlichen Angriffen von so genannten unpolitischen besorgten Bürger*innen ausgesetzt sahen, die im Zusammenspiel mit gewaltbereiten Neonazistrukturen tatsächlich ein Klima der Angst schaffen konnten und es Bereiche gibt, in denen diese Symbiose jederzeit abrufbar weiter existiert. Kurzum. Rassistische & antisemitische Übergriffe werden von einem Teil der bürgerlichen Gesellschaft nicht nur ignoriert sondern schlicht wohlwollend zur Kenntnis genommen. Die Corona Maßnahmen gemeinsam angreifen, dass geht nicht nur in Stuttgart und Berlin Hand in Hand mit Gewalt affinen Neonazis. In Gera, Erfurt und anderen Thüringer Städten gab und gibt es diese, als Spaziergänge verharmlosten, gemeinsamen Demos ebenfalls.

Geht es bei den Demonstrationen wirklich um die Rücknahme der Maßnahmen zur Eindämmung eines tödlichen Virus?

Ich habe mir die Forderungen der Veranstalter in aller Ruhe angeschaut und danach vor allem das zentrale Argument der Demonstrierenden zur fehlenden Glaubwürdigkeit der aktuellen Politik. Erstaunliches ist im Ersten Teil natürlich nicht heraus gekommen. Ich schaffe eine kurze Übersicht zum Verständnis. Was wollen die Aufrufenden? Ich weiß es nicht und zitiere einfach.

Zentrale Forderung im Aufruf zur Demonstration ist der Satz. Wir bestehen auf die ersten 20 Artikel unserer Verfassung, insbesondere auf die Aufhebung der Einschränkungen durch die Corona-Verordnung von.

  • Artikel 1: Menschenwürde – Menschenrechte
  • Rechtsverbindlichkeit der Grundrechte
  • Artikel 2: Persönliche Freiheitsrechte
  • Artikel 4: Glaubens- und Gewissensfreiheit
  • Artikel 5: Freiheit der Meinung, Kunst und Wissenschaft
  • Artikel 7: Schulwesen
  • Artikel 8: Versammlungsfreiheit
  • Artikel 11: Freizügigkeit
  • Artikel 12: Berufsfreiheit
  • Artikel 13: Unverletzlichkeit der Wohnung

Dann wird auf die Überparteilichkeit verwiesen und das keine Meinung ausgeschlossen wird und alle Parteien werden aufgefordert, Originalzitat: „ihre Parteiprogramme auf die neue Lage anzupassen und den Bürgern darzustellen, wie und unter welchen Lebensumständen in der Sonderlage Pandemie zu rechnen ist. Außerdem sollen Neuwahlen im Oktober 2020 durchgeführt werden.“

Nachdem ich mir nun diesen Aufruf wirklich dutzende Male durchgelesen habe, bleibt für mich schwer verständlich, wieso Menschen einem solch diffusen und vor allem auf keinen untermauerten Fakten basierenden Aufruf folgen. Von den Widersprüchlichkeiten im Bezug auf bestimmte Grundgesetzartikel ganz zu schweigen. Könnte es also sein, dass es gar nicht auf den inhaltlichen Aufruf ankommt? Wenn 18.000 Menschen nach Berlin fahren um zu demonstrieren, dann folgen diese nicht einem solch völlig unsinnigen Aufruf wie dem hier dokumentierten Aufruf der Veranstalter. Nein, sie folgen einem damit verbundenen emotional aufgeladenen Gefühl.

Tatsächlich bietet der Aufruf nach Berlin zentrale Elemente an, die schon immer, ob Tatsachen basiert oder nur frei behauptet, Emotionen erzeugt haben. Entscheidender dürfte die politische Begleitmusik und Sprache derjenigen sein, die zur Demonstration mit aufrufen. Wer sich einen Überblick verschaffen möchte, kann dies auf den Facebookseiten von AfD Abgeordneten, aber auch auf den einschlägigen bekannten Seiten der Neuen Rechten tun. Ich möchte keine Werbung machen und stelle hier keine Links zur Verfügung. Ich wage aber Thesen…

Es geht nur den Wenigsten um die angeordneten staatlichen Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit. Dem größten Teil der Teilnehmenden geht es darum, die derzeit Regierenden anzugreifen, Wut auf das angeblich diktatorische System zu artikulieren und Teil einer Bewegung zu sein, die „dieses System mit allen Mitteln beseitigt“.

Wenn die Veranstalter und Aufrufenden dieser Demos weiter auf Bilder verweisen können, in denen Politiker*innen aller Parteien ohne Mund Nasen Bedeckung und ohne Abstand auf politischen Veranstaltungen für sich werben, dann werden sich immer wieder Menschen finden, die mit demonstrieren. Eine Teilschuld tragen also politisch Verantwortliche, die Schutzmaßnahmen anordnen und diese selbst nicht befolgen wollen oder können.

Wenn Faschisten wie unter anderem Bernd Höcke weiterhin durch Sommerinterviews ihre sowieso schon starke Reichweite erhöhen können, gibt es für verunsicherte Menschen keinen Grund, nicht seinem Aufruf zu solchen Demonstrationen zu folgen. Höcke hatte im Sommerinterview mit dem MDR übrigens die Pandemie für beendet erklärt. Zur besten Sendezeit und online abrufbar.

Wenn die Verantwortlichen der Sozialen Netzwerke nicht endlich beginnen rassistische, sexistische, antisemitische und weitere Menschen verachtende Kommentare und vor allem die Urheber*innen zu melden und auszuschließen, dann wird auch hier die Normalisierung von Hass und Hetze weitergehen.

Wenn die einstmals großen gesellschaftlichen Organisationen nicht endlich laut und deutlich und vor allem geschlossen und nicht nur einzeln Stellung beziehen und damit der schweigenden, verunsicherten Mehrheit für den Kampf um die Demokratie den Rücken stärken, dann wird die Verunsicherung bleiben und noch mehr Menschen wenden sich ab.

Wenn CDU, FDP aber auch Vertreter*innen der SPD immer wieder Antifaschist*innen und Antirassist*innen, also Menschen die sich gegen Rassismus engagieren als Extremist*innen diffamieren, machen sie damit einen Teil der Arbeit für die extreme Rechte selbst und tragen ebenso zur Verunsicherung bei.

Wenn rassistisch motivierte Morde weiterhin als Einzeltaten gewertet werden, die Tatsache von extrem rechten Netzwerken in staatlichen Organen weiter einfach hingenommen und die Verankerung von Rassismus mitten in der Gesellschaft nicht endlich offensiv bekämpft wird, dann wird’s eng für den demokratisch verfassten Rechtsstaat.

Alles was ich gerade hier an Thesen und Antworten zusammengefasst habe ist aber nicht neu. Wenn wir über die Corona Demonstrationen in Berlin sprechen, müssen wir diese bitte gesellschaftspolitisch einordnen in eine Zeit, in der es eine Partei gibt, die mit Ängsten Politik macht. Erst war es Europa, dann waren es Menschen die Schutz suchten. Nun ist es ein tödliches Virus, dessen Verbreitung durch konkrete Schutzmaßnahmen eingedämmt werden konnte. Um diese Maßnahmen geht es Jenen aber nicht, die mit Symbolik wie einem „Sturm auf den Reichstag“ weiter politisches Framing betreiben wollen und dabei tatsächlich von uns bewusst oder unbewusst in den sozialen Medien durchaus Unterstützung erhalten.

Das eigentliche Problem ist doch, dass Rassismus, Antisemitismus und Menschenverachtung längst mit Fraktionsstatus in allen Landtagen und im Bundestag sitzen und auf die drängenden Fragen zum Umgang mit den Folgen der Pandemie keine Antwort hat.

Mein Fazit: Ja die Herausforderungen sind nicht kleiner geworden. Ich wünsche mir Demonstrationen zu den wirklich drängenden sozialen Problemen. Mund-Nasen-Bedeckung und Abstand inklusive sollten wir Demonstrationen organisieren, die sich deutlich gegen Rassismus wenden und gleichzeitig die Eigentums- und Machtverhältnisse im Kapitalismus in Frage stellen. Das gibt deutliche Orientierung für die derzeit Verunsicherten. Unsere wirklichen Probleme heißen Rassismus und Kapitalismus.

2 Responses to Corona Demos. Inhaltsleere Aufrufe mit gefährlicher politischer Begleitmusik. Das Problem sind nicht die Masken sondern Rassismus und eiskalter Kapitalismus.

  1. Barbara Schnellen sagt:

    Sehrt geehrter Herr Witt,

    ich gehöre zu den Menschen, die als Leugner, Idioten, Rechtsradikale, Antisemiten oder auch als Linksradikale bezeichnet werden. Ganz einfach so, um mich zu diffamieren. Wie ist es möglich, mich zu verurteilen, obwohl nie jemand mit mir über meine Gründe für meine Teilnahme an den Demonstrationen gefragt hat?

    Vielleicht können Sie sich erinnern, dass dieser erste Lockdown ohne Absprache im Parlament erlassen wurde. Es gab keine Opposition, die zumindest darauf bestand, über die Maßnahmen zu diskutieren. Mich hat erschreckt, mit welcher geradezu Devotheit die LINKE, die für mich immer ein Garant von Kritikfähigkeit, sich den Beschlüssen unterworfen hat. Ja, ich finde keine andere Bezeichnung für dieses Verhalten. Und hat sich die LINKE während des 1. Lockdowns um die Situation in den Krankenhäusern gekümmert, um die Situation in den Altenheimen, in denen teilweise die Menschen an Ihre Betten gefesselt wurden, damit sie in ihren Zimmern blieben. Durch den Personalmangel war es den Mitarbeitern oft nicht anders möglich, den Vorgaben zu folgen. Die Würde des Menschen, in unserem Grundgesetz verankert, interessiert nicht. Die alleine gestorben sind. Ohne Angehörige. Auch in den Krankenhäusern. Ich bin 64, aber ich weiß eines, ich will selbstbestimmt leben, eher sterbe ich, als dass ich alleine zu Hause verkümmere und nicht wegen dieses Virus sterbe (dass ich übrigens nie verleugnet habe), sondern wegen Einsamkeit. Wurden diese Menschen jemals gefragt, ob sie einverstanden sind. Habe Sie nach dem ersten Lockdown nachgefragt,wie es den Menschen dort gegangen ist??? Habe Sie und die LINKE jemals all die Menschen gefragt, die schon nach dem ersten Lockdown Ihre Existenz verloren haben? Sie wissen, dass Menschen unter Stress und Armut eher sterben, als Menschen, denen es noch gut geht. Da benötigen wir keinen Virus, die Menschen sterben auch ohne oder mit Corona noch schneller. Haben Sie die jungen Menschen gefragt, die schon nach dem ersten Lockdown nicht weiterstudierten konnten, weil ihre Verdienstmöglichkeiten wegbrachen und deren Eltern nicht das Geld hatten, um sie weiter zu unterstützen. Die sich exmatrikuliert habe und sich vermutlich noch nicht wieder eingeschrieben haben. Hat die LINKE sich jemals Gedanken darüber gemacht, dass nun die Schere zwischen den Gebildeten und Nichtgebildeten weiter auseinander geht, weil es nur noch den jungen Menschen möglich ist zu studieren, deren Eltern sie unterstützen können? Das ist nur ein kleiner Teil der Gründe, warum ich auf die Straße gehe. Ich gehe auf die Straße, weil ich mich nicht mehr von den Parteien vertreten fühle. Im Gegenteil, weil ich Dinge kritisch anmerke, werde ich beschimpft. Sie haben in einem Artikel, in dem es um Freigabe der Privatanschrift von Bodo Ramelow geht, durch einen der Querdenker, diese Tatsache kritisch angemerkt. Ich stimmen dem zu. Ich bin ebenfalls dagegen, die Proteste auf die Personen (Privatpersonen), direkt zu lenken. Ich wehre mich aber vehement dagegen, als Rechte bezeichnet zu werden.

    Viel schlimmer ist, dass Sie (und auch die LINKE), die Menschen alleine lassen. Schauen Sie sich doch die Auseinandersetzungen der Politiker im Bundestag an. Wer setzt sich denn dort genau für die o.g. Probleme ein. ES IST DIE AFD!!!!!! Nicht die LINKE!!

    Ich habe einige sehr interessante Interviews von Andreas Kemper gehört (Uni Münster) der die AFD schon lange beobachtet und die Gefahren genau benennt, worum es der AFD geht. Ich werde sie nie wählen. Aber wieviel Menschen wissen dass? Sie werde diese Partei wählen, weil genau SIE diese Menschen vergessen haben. Und vermutlich weiterhin sich nicht um diese Menschen kümmern. Aber als Coronaleugner, Idioten, Antisemiten, Rechte oder wer weiß wie beschimpfen.

    Diese Verallgemeinerung ist höchst gefährlich und nicht hilfreich. Sie treiben durch dieses Verhalten die teilweise schon in Armut lebenden Menschen genau dahin, wohin sie diese Menschen nicht haben wollen. Es ist auch Ihre Schuld.

    Verdammt, gehen Sie endlich los und reden mit den Menschen. Durchbrechen Sie diese Mauer der Diffamierungen und reden mit den Leuten, die Sorgen und Angst haben, die erleben wie Ihre Angehörige in den Altenheimen behandelt werden, teilweise immer noch seit März, reden Sie mit denen, die Ihre Existenz verloren haben, die nicht wissen, womit Sie die nächste Miete bezahlen sollen. Danach können Sie dann darüber nachdenken, ob Sie weiterhin alle Demonstranten als Querdenker zu diskreditieren wollen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Barbara Schnellen, ein Mensch, dem es um die Menschen geht.

    UM ALLE!!!!

    • sandrowitt sagt:

      Liebe Frau Schnellen, einige ihrer Einschätzungen teile ich ja und ihr Kommentar zeigt ja auf, dass Sie meinen Beitrag nicht bis zum Ende gelesen haben. Deshalb werde ich Sie unter der angegebenen Mailadresse kontaktieren. Danke für ihre Einschätzung, die ich nicht voll teile aber durchaus spannend finde. BG SW

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