Niemanden treffen und wenn doch Maske auf und Abstand halten. Die Regelungen der Corona Verordnung(en), zur Vermeidung von Infektionen, in ganz einfacher Sprache.

10. Januar 2021
Zusammenfassung der Verordnungen

Moin. Es ist Sonntag der 10. Januar 2021. Am Wochenende wurden wieder die neuen Verordnungen veröffentlicht, die uns in einem Dschungel an Paragraphen auffordern, bestimmte Dinge zu tun oder zu unterlassen. Da selbst ich mich mitunter schwer tue überhaupt noch durchzusehen, habe ich versucht die Paragraphen in einfache Sprache zu übersetzen. Ich gehe nur auf das Relevante für Einzelne ein und kommentiere möglichst wenig. Grundlage dafür ist die Thüringer Verordnung, die vom 10. bis 31. Januar 2021 Gültigkeit hat.

Paragraph 1: Anwendungsvorrang. Ist wichtig für Menschen die Lust haben Verordnungen zu vergleichen und zu schauen ob Fehler gemacht wurden in den Formulieren. Grundsatz: Alles was Neu ist gilt. Alles was nicht neu geregelt wird, gilt in alter Form weiter.

Paragraph 2: Grundsatz. Bleibt zu Hause und geht nur raus wenn es nötig ist. Trefft keine weiteren Menschen. Eure Arbeitgeber*innen werden von der Regierung noch gebeten, euch nicht so viel arbeiten zu lassen, oder im Homeoffice und vielleicht, wenn es geht und auch nur dann, den Laden dicht zu machen.

Paragraph 3: Kontaktbeschränkungen. Ihr dürft euch als Familie in der Öffentlichkeit aufhalten. Aber nur die in einem Haushalt zusammen wohnen. Dazu dürfen Menschen für die ihr ein rechtliches Sorge- oder Umgangsrecht habt. Außerdem darf noch eine Person dazu kommen, die nicht im Haushalt mit lebt. Außerdem steht da noch, welche wichtigen Menschen sich daran nicht halten müssen und das bei Eheschließungen und Beerdigungen davon abgewichen werden kann.

Paragraph 3 a: Ihr dürft in der Öffentlichkeit keinen Alkohol trinken.

Paragraph 3 b: Zwischen 22 Uhr und 5 Uhr dürft ihr nicht raus. Ausnahmen gibt es eigentlich laut Verordnung für eigentlich Alles. Außer spazieren gehen oder auf ne Party. Aber die sind ja untersagt. Ich bin ehrlich. Diese Regelung verstehe ich überhaupt nicht.

Paragraph 3 c: Wenn ihr etwas einkaufen wollt, oder spazieren oder wandern oder einfach nur im Schnee rumspringen. Dann sollt ihr dafür im Umkreis von 15 km eurer Wohnung bleiben. Es ist aber nur eine Empfehlung. Die Landkreise können das aber verpflichtend anordnen. Hildburghausen hat’s schon gemacht.

Paragraph 4: Privat reisen und ins Hotel nein. Dienstlich ja.

Paragraph 5: Tragt eure Masken bzw. Mund-Nasen-Bedeckungen immer dann, wenn ihr Menschen begegnet. Egal wo und egal welche Uhrzeit. Zuhause, wenn jemand Symptome hat, solltet ihr das auch tun.

Paragraph 6: Veranstaltungen zum Vergnügen gibt es nicht. Religiöse Treffen müssen angemeldet werden und dort ist Gesang dann verboten.

Paragraph 6 a und 6 b: Regelt Versammlungen nach Grundgesetz Versammlungsfreiheit und Versammlungen von politischen Parteien. Wichtig für die Verantwortlichen und die wissen im Normalfall Bescheid. Außer die AfD. Denen ist das scheiß egal.

Paragraph 7 und 8: Regeln was alles geschlossen ist und dann mit Ausnahmen was alles intern arbeiten darf, damit ihr euch das dann kontaktlos abholen könnt.

Paragraph 9 a und b: Besuche von Personen in Alten- und Pflegeheimen sind nur für eine Person am Tag und mit vorherigem Schnelltest gestattet und die Mitarbeiter*innen der Einrichtungen werden regelmäßig getestet. Bildungszentrum sind geschlossen und es findet nur Aus- und Weiterbildung statt für diejenigen die nahe an einer Prüfung sind.

Paragraph 10 a: Alles was bisher an Bildungsarbeit außerhalb von Schule mit Kindern und Jugendlichen oder auch Erwachsenen stattfand, geht nur noch online. Es gibt auch keine Klassenfahrten. Alles was Übernachtungen möglich machen würde, ist sowieso geschlossen.

Paragraph 10 b: Schulen und Kindergärten sind geschlossen. Es gibt aber eine Notbetreuung. Da ich versprochen habe das in einfacher Sprache zu machen sage ich hier: Die Notbetreuung gibt es dann, wenn nachgewiesen wird, dass das Kind tatsächlich und überhaupt nicht betreut werden kann durch euch als Eltern. Das ist dann der Fall wenn ihr gezwungen seid außerhalb der eigenen Wohnung zu arbeiten. Für Schule gilt gleichermaßen eine Notbetreuung und zwar bis zu 6. Klasse. Schule findet aber auch während der Schließung statt. Die Aufgaben werden zu Hause erledigt und je nach dem wie gut die Schulen ausgestattet sind, sprechen die Lehrer*innen online mit den Kids. Zum Schluss noch: Falls ihr Eltern seid, die gereizt auf die Situation reagieren und zu Hause nicht klar kommt mit der Situation. Dann sprecht mit der Kita oder der Schule, bevor eure Kinder leiden.

Paragraph 11: Es gibt keinen Sport gemeinsam. Außer ihr verdient damit euren Lebensunterhalt. Dann darf aber niemand zuschauen, wie ihr bspw. auf Ski in einer Arena lauft und auf Scheiben schießt.

Paragraph 12: Das ist total einfach geregelt. Haltet ihr euch nicht an die Regelungen der Verordnung oder seid dafür verantwortlich, dass es Andere nicht tun. Dann geht ihr nicht über Los sondern zahlt 25.000 Euro an die Staatskasse. Eine Versteuerung wie bei einer Spende ist dabei nicht möglich.

Paragraph 13: Klartext. Wenn es nicht ausreicht und die Zahlen nicht runter gehen, kann das alles noch verschärft werden.

Paragraph 14: Die Regelungen schränken einige eurer Grundrechte ein. Welche Grundrechte das sind, steht dort in Artikeln des Grundgesetzes und der Landesverfassung.

Paragraph 15: Dort steht, dass alle Geschlechter gemeint sind mit der Verordnung. Das ist wichtig, da ja in einigen Punkten nur der männliche Teil der Bevölkerung angesprochen wird. Ich lass das mal so stehen.

Paragraph 16: Regelt, dass am 31. Januar die Verordnung endet.

Bitte bleibt gesund. Das steht nicht in der Verordnung sondern ist mein Abschluss dieses kleinen Serviceartikels.


Tariflohnerhöhung von 3,65 Prozent trotz Corona und Lockdown im Thüringer Gastgewerbe. Die Gewerkschaft NGG macht’s gemeinsam mit ihren Mitgliedern möglich.

4. Januar 2021

Trotz des Lockdowns und der Schließung fast aller Gaststätten und Hotels tritt zum 01.01.2021 eine Lohnerhöhung von 3,65 Prozent für die Beschäftigten des Thüringer Gastgewerbes in Kraft. Das Gastgewerbe ist mit ca. 30.000 Beschäftigten einer der wichtigsten Branchen in Thüringen.

Der Geschäftsführer der NGG in Thüringen Jens Löbel hat dann heute zu Recht auch auf die Situation der Beschäftigten aufmerksam gemacht. „Die Beschäftigten im Gastgewerbe, die seit Monaten in Kurzarbeit sind, brauchen jeden Euro. Wer mit 60 oder 67 Prozent Kurzarbeitergeld, bei den schon niedrigen Löhnen auskommen muss, freut sich über jede Erhöhung.“

Gleichklang zwischen Gastgewerbe und Cateringbereich endlich erreicht.

Ein weiterer Erfolg der NGG in Thüringen ist es, dass die Beschäftigten der unteren Bewertungsgruppen im Cateringbereich die Erhöhung zwar etwas zeitverzögert zum 01.04.2021 erhalten. Sie hatten aber schon eine weitere Erhöhung zum 01.06.2020 erhalten. Mit dieser Erhöhung ist dann nach langer Zeit endlich ein Gleichklang der Löhne und Gehälter zwischen dem Gastgewerbe und dem Cateringbereich gelungen. Ein wirklicher Erfolg.

Der heute durch meinen Kollegen Jens Löbel öffentlich gemachte Tariferfolg ist aber nur deshalb möglich, weil sich Menschen solidarisch in der Gewerkschaft zusammenfinden und bereit sind für regelmäßige rechtssichere Lohnerhöhungen zu streiten. Was der NGG hier mitten in der Krise für das Gast- und Cateringgewerbe gelingt, kann überall funktionieren.

Wenn sich die Kolleg*innen organisieren und bereit sind zu kämpfen statt sich einfach den Bedingungen zu fügen.


In einer Demokratie ist es absolut legitim, Unzufriedenheit und Protest auf die Straßen zu tragen und es ist geradezu Aufgabe einer wachsamen Zivilgesellschaft in einer Krise die Regierungspolitik kritisch zu begleiten. Aber….

18. November 2020

Die grundgesetzlich garantierte Versammlungsfreiheit wird derzeit von einigen Wenigen missbraucht. Dabei sollte derzeit die Mehrheit dieses Grundrecht für die richtigen Diskurse nutzen.

Ich bekomme derzeit immer wieder die Frage gestellt, ob ich gegen Demonstrationen bin, weil ich mich gegen die Querdenken / Coronaleugnerinnen und ihre Demos stelle. Ein paar mal dachte ich, dass mich die Kolleginnen und teilweise auch Genoss*innen (entschuldigt das Wort) veralbern wollen. Nun habe ich verstanden, dass die Frage ernst gemeint ist und in der Tat mag ich mit diesem Beitrag einordnen und diese wichtige Frage aufarbeiten.

  1. Ich stehe unwiderruflich zum Grundrecht auf Demonstration und Versammlung und übe diese Recht auch derzeit (unter den bekannten Einschränkungen Abstand und Maske) aus. Zuletzt habe ich gemeinsam mit 60 Menschen in Gera am 9. November ein Gedenken organisiert und dort auch gesprochen und einen Kranz niedergelegt.
  2. Demonstrationen / Versammlungen sind immanenter Bestandteil unserer Demokratie und sie sind wichtig für die Meinungsbildung- und Findung auch von Parlamentarier*innen, die dann Entscheidungen zu treffen haben.
  3. Wenn Demonstrationen in einer Pandemie, in der ein tödliches Virus grassiert, unter strengeren Auflagen zugelassen werden, als außerhalb einer Pandemie, dann ist das Grundrecht dennoch geschützt und nutzt sich nicht ab. Es ist möglich, sich mit mit Masken und Abstand friedlich zu versammeln und Meinungsbekundungen öffentlich der Debatte zu stellen.
  4. Wenn die Demonstrationen sich aber dann gegen die Schutzmaßnahmen richten, die der Gesetzgeber ergreift und der Schutz damit ausgehebelt wird, dann greifen andere Artikel des Grundgesetzes und es findet eine Abwägung der Grundrechte statt.
  5. Eine Demonstration, an der Menschen sich Davidsterne anheften, mit purer Absicht keine Maske tragen und keinen Abstand halten, haben eben auch einen gefährlichen Doppelcharakter. Das Virus kann sich verbreiten und die eingesetzten Ordnungskräfte werden dieser tödlichen Gefahr ausgeliefert. Insofern verstehe ich und will auch, dass die Behörden stringent auf die EInhaltung des Infektionsschutzes achten. Außerdem sind die antisemitischen Narrative und Verschwörungserzhählungen immanenter Bestandteil dieser Demonstrationen. Eine Abgrenzung der Anmelder*innen findet in der Tat dazu ja nicht statt. Oftmals sogar das Gegenteil. Beispiel: Demos von „Querdenken“

Ich stelle mir derzeit immer wieder die Frage, aus welchem Grund Menschen bei Querdenkendemos gemeinsam mit extrem rechten Hooligans, Neonazis und anderen gewaltbereiten antidemokratischen Gruppen mit laufen. Hier kann ich nur appellieren und vor vielen Monaten haben Matthias Quent und ich auch in einem gemeinsamen Papier auf die Problematik bundesweit aufmerksam gemacht. Rezipiert wurde das und auch öffentlich debattiert. Wer nachlesen will, kann das hier gerne tun. https://www.idz-jena.de/newsdet/mobitidz-sandro-witt-und-matthias-quent-warnen-vor-rechtsextremen-vereinnahmung-der-corona-krise/

Meine Haltung dazu möchte ich abschließend deutlich machen. Es reicht weder Nazis zu rufen noch scheint es auszureichen, davor zu warnen mit der extremen Rechten zu demonstrieren. (Quent / Witt Mai 2020) Was es braucht sind gesellschaftliche Diskurse und natürlich geht das auch mit Demonstrationen / Versammlungen.

Es gibt die demokratischen Parteien, es gibt die Gewerkschaften, es gibt Sozialverbände und so viele weitere Möglichkeiten sich zu engagieren. Der Diskurs in einer Pandemie darf doch nicht auf eine einzige Frage reduziert werden. Er wird es aber. Es geht öffentlich nur um Abstände und Masken und Widerstand gegen angeblich diktatorische Entscheidungen.

Wir müssen den Diskurs wieder dahin verschieben wo er hingehört und (Sozial) politische Fragestellungen in den Mittelpunkt stellen.

Demonstrationen, die sich Umverteilungsfragen von Vermögen auf die Fahnen schreiben. Sich dafür einsetzen, Gesundheit nicht als Ware zu privatisieren sondern als öffentlichen Auftrag anzusehen und entsprechend zu organisieren. Ich könnte dutzende weitere Beispiele benennen. Will ich nicht.

Ich will deutlich machen. Das Grundrecht auf Demonstration- und Versammlungsfreiheit wird derzeit zum Widerstand einiger Weniger gegen Masken und Abstandspflicht missbraucht. Holen wir doch dieses Grundrecht wieder dahin zurück, wo es eigentlich gebraucht wird und schaffen damit Diskursmöglichkeiten für die wichtigen politischen Fragestellungen.


Gemeinsame Erklärung der Mitglieder des Verwaltungsrates der AOK PLUS zum „Maßnahmenpaket zur Stabilisierung der Sozialversicherungsbeiträge“

14. Oktober 2020

Keine Enteignung der GKV durch Minister Spahn zulassen! – Nicht diejenigen bestrafen, die solide und vorausschauend geplant haben.

Sitzung Verwaltungsrat AOK Plus. Foto: AOK PLUS

Wie versprochen machen wir weiter Druck um die Schadensersatzlose Enteignung der Gesetzlich Krankenversicherten durch die Bundesminister Jens Spahn und Olaf Scholz zu verhindern. Deshalb hat der AOK Verwaltungsrat eine entsprechende Resolution verabschiedet, die ich hiermit dokumentieren will. In Gesprächen mit den Ministerpräsidenten und zuständigen Ministerinnen von Sachsen und Thüringen werden wir deutlich machen, dass dieser Weg der Bundesregierung nicht nur undemokratisch sondern auch noch absolut schädlich für die Versicherten und Arbeitgeber*innen ist. Wir sind alle miteinander überzeugt, diese Pläne noch stoppen zu können.

Die Bundesregierung hat im Juni im Koalitionsausschuss im Rahmen der Sozialgarantie 2021 zugesagt, dass die Sozialabgaben im Jahr 2021 nicht über die 40-Prozent-Marke steigen sollen. Dadurch sollten die Versicherten und Arbeitgeber zusätzlich zu den Herausforderungen der Corona-Krise nicht weiter finanziell belastet werden. Statt die in der gesetzlichen Krankenversicherung entstandenen Fehlbeträge, die maßgeblich auf die erheblichen Leistungsausweitungen in der aktuellen Legislaturperiode zurückzuführen sind, aus Steuermitteln zu finanzieren, sieht der Gesetzentwurf zur Umsetzung der Sozialgarantie nun einen massiven Eingriff in die Rücklagen der Krankenkassen vor. Statt der benötigten 16,6 Milliarden Euro sind im Bundeshaushalt nur fünf Milliarden Euro vorgesehen. Damit müssen die Beitragszahler mehr als zwei Drittel der „Sozialgarantie“ selbst bezahlen. Zusätzlich wird den gesetzlichen Krankenkassen und damit der sozialen Selbstverwaltung ein noch strengeres Verbot der Beitragssatzerhöhung auferlegt.

Die Mitglieder des Verwaltungsrates der AOK PLUS halten das vom Bundesgesundheitsministerium eingebrachte Maßnahmenpaket in Gänze für ungeeignet und sehen darin eine Gefahr für die soziale Mitbestimmung des Gesundheitswesens in Deutschland. Gemeinsam fordern die Arbeitgeber- und Versichertenvertreter:

Der Staat muss seiner Verantwortung gerecht werden und darf die Finanzierung von ureigenen Aufgaben des Staates nicht einseitig auf die Beitragszahler abwälzen!

Seit Jahren werden ureigene Aufgaben des Staates auf die Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung abgewälzt. Dies ist unsozial und ungerecht. In der Corona-Pandemie wurden die Beitragszahler durch zusätzliche staatliche Aufgaben (Finanzierung von Schutzausrüstungen, Tests und Schutzschirme für Leistungserbringer) belastet. Der aktuelle Bundeszuschuss deckt die damit verbundenen Ausgaben für diese und die generellen versicherungsfremden Leistungen bei weitem nicht. Gesamtgesellschaftliche Aufgaben sind aus Steuermitteln zu finanzieren. Wir fordern daher, den Steuerzuschuss des Bundes um mindestens 10 Milliarden Euro pro Jahr und dauerhaft zu erhöhen! Ansonsten sind deutlich steigende Krankenversicherungsbeiträge die Folge.

Die Selbstverwaltung nicht beschädigen, sie braucht Handlungsfreiheit und keine Bevormundung!

Die Arbeitgeber- und Versichertenvertreter im Verwaltungsrat der AOK PLUS haben gemeinsam in den vergangenen Jahren einen Weg gefunden, um auf der einen Seite einen möglichst günstigen Beitragssatz anbieten zu können und gleichzeitig genügend Freiraum für Investitionen durch entsprechende Rücklagen zu erhalten. Dieses vorausschauende und verantwortungsvolle Handeln soll nun durch eine quasi staatliche Enteignung bestraft werden. Darüber hinaus geht jegliches Vertrauen in die Verlässlichkeit des politischen Handelns verloren. Vor der Wahl im kommenden Jahr bedient sich der Staat bei den Rücklagen der Krankenkassen, um die strukturellen Defizite zu kaschieren. Als Säule des demokratischen Systems in Deutschlands spielt die Selbstverwaltung eine tragende Rolle und die Mitglieder wissen um ihre Verantwortung. Über die soziale Selbstverwaltung haben die Menschen ein Mitspracherecht, wenn es um das Gesundheitssystem geht. Dieses Mitspracherecht wird jetzt weiter beschnitten. Wir fordern daher die Politik auf, das Prinzip der Selbstverwaltung zurespektieren und den handelnden Akteuren wieder mehr Gestaltungsmöglichkeiten einzuräumen!

Die Corona-Pandemie nicht als Ausrede für die überzogene Ausgabenpolitik der letzten Jahre missbrauchen!

Die vergangenen Jahre sind geprägt von einer Vielzahl von Gesetzen, die zwar mit deutlich höheren Ausgaben verbunden sind, aber meist keine oder nur eine geringe Verbesserung für die Versorgung der Versicherten bewirken. Die Einnahmen sind in diesem Zeitraum zwar auch gestiegen, jedoch nicht in gleichem Umfang wie die zusätzlichen Ausgaben. Nun die Corona-Pandemie für diese Lücke in der Finanzierung verantwortlich zu machen und zu drastischen „Sondermaßnahmen“ zu greifen, ist nicht nur unredlich, sondern gefährdet die finanzielle Stabilität des Gesundheitssystems in den kommenden Jahren. Wir erwarten von verantwortungsbewussten Politikern, sich nicht nur als Verkäufer von guten Nachrichten zu präsentieren, sondern auch für die Konsequenzen ihres Handelns einzustehen!

Keine Enteignung zulassen! – Nicht diejenigen bestrafen, die solide und vorausschauend geplant haben

Solidarität kann nur ausgeübt, nicht jedoch staatlich verordnet werden! Wenn die Rücklagen der Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung eingezogen und nach dem Gusto des Staates umverteilt werden, dann ist dies keine Solidarität. Solche Mechanismen kennt man sonst nur aus Ländern, deren Gesundheitssysteme rein staatlich organisiert sind. Jede Krankenkasse versucht für ihre Versicherten den Dreiklang aus guten Leistungen, optimalem Service und attraktivem Zusatzbeitrag zu gestalten. Nun werden die Kassen und deren Beitragszahler bestraft, die solide und vorausschauend geplant haben. Dabei gibt es innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung bereits Regelungen, untereinander und füreinander solidarisch einzustehen. Dazu braucht es keine Intervention der Politik! Wir fordern daher, jegliche Eingriffe des Staates in Rücklagen der Beitragszahler und die Verantwortungsbereiche der Selbstverwaltung zu unterlassen!

Der Verwaltungsrat der AOK Plus Thüringen am 13.10.2020


Warum die Thüringer Linksfraktion Recht hat und uns der öffentlich-rechtliche Rundfunk etwas wert sein muss.

8. Oktober 2020

Als Mitglied des MDR Rundfunkrates und gewerkschaftlicher Vertreter im deutsch – französischen Programmbeirat von ARTE G.E.I.E in Straßbourg bin ich tatsächlich sehr erfreut über die Veröffentlichung meiner Partei die LINKE bzw. der LINKE Landtagsfraktion in Thüringen, zum Thema Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk.

Da sich in der letzten Zeit ja tatsächlich öffentliche Wortmeldungen mehren, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk generell in Frage stellen oder seine Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit in Zweifel ziehen, kommt dieses klare politische Bekenntnis zur richtigen Zeit.

Die Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag sagt in einer Sammlung von Argumenten absolut zu Recht Nein zu jeglicher Diffamierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und thematisiert auch die körperlichen Angriffe auf Journalist*innen.

Zuletzt setzt die Fraktion auch das Signal, einer Anhebung des Rundfunkbeitrags zuzustimmen, aus dem sich ARD, ZDF, Deutschlandradio und die Landesmedienanstalten finanzieren. Die Anhebung ist auch dringend notwendig, damit eben das Programm weiter entwickelt werden kann und die technischen Entwicklungen nicht verschlafen werden müssen. Außerdem arbeiten in den Öffentlich-Rechtlichen Anstalten auch Menschen, die nach Tarifvertrag bezahlt werden und eine grundsolide Mitbestimmung in ihrer eigenen Arbeitswelt leben können. Alles auch gewerkschaftliche Errungenschaften, die gesellschaftlich Vorbild sein müssen.

Das uns also der öffentlich-rechtliche Rundfunk etwas wert ist, will ich dementsprechend auch hier dokumentieren und stelle deshalb die Erklärung der Linksfraktion des Thüringer Landtages online.

Der Titel lautet: Linksfraktion kompakt: Warum uns der öffentlich-rechtliche Rundfunk etwas wert ist.

Pfeiler der Demokratie: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat eine hohe Bedeutung für die demokratische Kultur und das Miteinander in der Bundesrepublik. Das hat auch das Bundesverfassungsgericht mehrfach betont. Die Angebote von ARD, ZDF, Deutschlandradio und den Landesmedienanstalten ermöglichen eine freie, individuelle und öffentliche Meinungsbildung. Wir als Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag sehen darin eine unverzichtbare Voraussetzung für gesellschaftliche Debatten, für Bildung, Information und Unterhaltung. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten gehören zur demokratischen Grundversorgung.

Ein vertretbares Plus: Wie hoch der Rundfunkbeitrag ist, entscheiden nicht die Rundfunkanstalten, sondern ein unabhängiges Sachverständigengremium in einem unabhängigem Verfahren. Wir als Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag wollen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sichern und weiterentwickeln. Dazu ist eine solidarische Finanzierung notwendig. Deshalb stimmen wir auch der moderaten Anhebung des Rundfunkbeitrags um 0,86 Euro zu.

Streitbar, aber unabhängig: Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach betont, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk »in voller Unabhängigkeit überparteilich betrieben und von jeder Beeinflussung freigehalten werden« sollte. Dieser Anspruch muss sich auch in der täglichen Berichterstattung der Sender niederschlagen. Auch wir als Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag stimmen keineswegs immer mit den Sendern überein. Aber wir wissen um den Wert von unterschiedlichen Meinungen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk trägt so zu einer inhaltlichen Vielfalt bei, die allein über einen freien Medienmarkt nicht gewährleistet werden könnte.

Vertrauenswürdig an der Spitze: Laut einer aktuellen Studie liegen die öffentlich-rechtlichen Sender bei der Informationsbeschaffung der Bevölkerung weit vorn. ARD, ZDF und Deutschlandradio haben nach Ansicht der Bürger*innen eine hohe Glaubwürdigkeit und werden bei gesellschaftsrelevanten Themen klar gegenüber den Privaten bevorzugt. Glaubwürdigkeit heißt übrigens nicht, dass man jedes Programm und jede Sendung gutheißen muss. Aber so bunt, wie die Bedürfnisse der Gesellschaft nach Informationen und Unterhaltung sind, so bunt sollte auch das Angebot der öffentlich-rechtlichen Sender sein. Wir als Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag meinen, dass die Corona-Pandemie noch einmal deutlich gezeigt hat, wie wichtig deren Angebot ist – gerade wenn die Nachfrage an sicheren, verlässlichen Informationen steigt.

Immer mehr Barrierefreiheit: Rund 13 Prozent der Menschen in der Bundesrepublik leben mit einer Behinderung. Für sie legt sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk sehr ins Zeug: Bei der ARD werden 95 Prozent der Sendungen untertitelt, beim ZDF das komplette Programm am Nachmittag und am Abend – und außerhalb dieses Zeitraums über 70 Prozent des Angebots. Viele Sendungen werden in Gebärdensprache übersetzt oder als Hörfilme mit Audiodeskription ausgestrahlt.

Also alles eitel Sonnenschein? Nein, und darum geht es auch gar nicht. Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt es schon lange. Das ist in einer demokratischen Gesellschaft sogar völlig in Ordnung. Es hilft Sendern wie ARD oder Deutschlandfunk, sich weiterzuentwickeln, auf neue Situationen zu reagieren und Fehlentwicklungen zu korrigieren. Auch wir als Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag formulieren konstruktive Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Was wir vorschlagen: Seit Jahren stagnieren die Anteile, die aus dem Rundfunkbeitrag anteilig an die Landesmedienanstalten fließen. Das ist nicht gut für die Weiterentwicklung der Bürgermedien, für deren Belange wir als Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag uns einsetzen. Auch wollen wir, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk konsequenter an seiner Effizienz arbeitet – ohne dabei die Interessen der Mitarbeiter*innen hintenanzustellen. Auch sehen wir die zunehmende Kommerzialisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunk kritisch. Das sind nur einige Beispiele für den Reformbedarf, den wir sehen. Für einen besseren öffentlich-rechtlichen Rundfunk, nicht gegen ihn. Für Qualitätsjournalismus, gegen Quotenjagd.

Wichtig für Thüringen: Über den Mitteldeutschen Rundfunk ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch im Freistaat zu Hause. Mit MDR Media, dem neuen Medien- und Kommunikationsdienstleister, sowie dem Kinderkanal KiKA sorgen zwei wichtige Sparten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für regionale Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze. Und: Der KiKA steht für die Vermittlung von positiven Werten und sozialen Kompetenzen, was ihn zum Lieblingssender der Kinder gemacht hat.


Die Sozialgarantie 2021 ist eine Mogelpackung – Versicherte sollen zu Zahlmeistern der Krise gemacht werden.

28. September 2020

Als zuständiges Vorstandsmitglied des DGB Hessen – Thüringen für Gesundheitspolitik begleite ich auch hier einige Ehrenämter. Eines davon ist die Mitarbeit im Verwaltungsrat der AOK Plus. Seit der letzten Sozialwahl engagiere ich mich dort zusätzlich als alternierender Vorsitzender des Finanz- und Organisationsausschuss. Hauptbestandteil dieser Arbeit ist zum Einen die kritische Kontrolle des Vorstandes und zum Anderen die Finanzen der Kasse im Blick zu behalten und entsprechende Entscheidungen zu treffen. Der Verwaltungsrat besteht aus Vertreter*innen der Arbeitnehmer*innen / Versicherten und der Arbeitgeberseite. Gemeinsam organisieren wir die Arbeit im Rahmen der durch Gesetze geregelten Selbstverwaltung. Die Wahl und Bestellung der Vorstände der AOK, die Aufstellung des Haushaltes und die unterjährige Kontrolle der Arbeit des Vorstandes ist unsere Hauptaufgabe. Nebenbei haben wir aber auch das politische Geschehen im Blick. Um dieses politische Geschehen geht es in diesem kurzen Abriss.

Jens Spahn und Olaf Scholz, der Eine für Gesundheit, der Andere für Finanzen in der Bundesregierung zuständig, haben sich bezüglich der Verteilung der Lasten der Krise, politisch geeinigt. Damit im Jahr der Bundestagswahl keine Beitragssteigerungen in der Sozialversicherung die „eigene“ Wiederwahl stören, werden viele Pandemie bedingte Zusatzkosten, mal eben mit einem Taschenspielertrick auf die Solidargemeinschaft des Sozialversicherungszweiges Krankenkassen umgelegt. Und was super klingt „Sozialgarantie 2021“, wird heftige Nachwirkungen haben und uns als Selbstverwaltung am Ende in die missliche Lage bringen, keinen rechtssicheren Haushalt aufstellen zu können. Noch dazu, werden die beiden Spitzenpolitiker nach der Bundestagswahl dann wieder auf die Selbstverwaltung vor Ort zeigen, wenn diese die Zusatzbeiträge dann verdoppeln muss und damit noch stärker die Arbeitnehmer*innen belastet werden. Die Politik hat damit dann natürlich wieder nichts zu tun. Rote Null oder Schwarze Null….

Zur Sache: Am 14.09. haben Bundesgesundheitsminister Spahn und Bundesfinanzminiester Scholz ein Maßnahmenpapier vorgelegt, mit dem die Bundesregierung das für 2021 prognostizierte 16,6-Millionen-Euro-Defizit in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgleichen und eine drohende Verdoppelung des Zusatzbeitrags auf 2,2 Prozent verhindern will. Laut Ergebnispapier von BMG und BMF sind folgende Maßnahmen vorgesehen:

1. Einmalige Erhöhung des Bundeszuschusses zur Gesetzlichen Krankenversicherung im kommenden Jahr um 5 Milliarden Euro aus Steuermitteln.

2. Weitere 3 Milliarden Euro sollen die Beitragszahler*innen über eine Anhebung des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes um 0,2 Beitragssatzpunkte auf dann 1,3 Prozent finanzieren.

3. Weitere 8 Milliarden Euro werden aus den Beitragsrücklagen der Krankenkassen genommen, die eine Finanzreserve oberhalb von 0,4 einer Monatsausgabe haben. Sie müssen rund 66 Prozent ihrer Reserve an den Gesundheitsfonds abführen. Daneben soll die Anhebungsverbotsgrenze des kassenindividuellen Zusatzbeitrags von derzeit 1,0 auf 0,8 Monatsausgaben abgesenkt werden, was ein weiterer unzulässiger Eingriff in die Finanzautonomie der Krankenkassen ist und die Rechte der Selbstverwaltung massiv einschränkt.

Politische Einschätzung: Der Infektionsschutz ist originäre Aufgabe des Staates. Daher soll dieser auch für die entstandenen Kosten über Steuermittel aufkommen. Was Gesundheitsminister Spahn und Finanzminister Scholz aber betreiben ist das Gegenteil von staatlicher Verantwortung. Es ist nichts anderes als die Plünderung der Rücklagen der Krankenkassen. Die gesetzlich Versicherten werden so zu Zahlmeistern der Krise gemacht, weil hauptsächlich sie es waren, die in den vergangenen Jahren durch die alleinige Finanzierung des Zusatzbeitrags die Rücklagen gebildet haben.

Was mich besonders ärgert.

Es werden all jene Krankenkassen bestraft, die in den vergangenen Jahren durch eine nachhaltige Geschäftspolitik Rücklagen gebildet haben, um die ohnehin steigenden Ausgaben im Gesundheitssystem für ihre Versicherten sozial abzufedern. Vorausschauende Haushaltsplanung, auf die wir als Verwaltungsräte bei der AOK Plus besonders achten, wird jetzt bestraft, die Kassen werden von Spahn und Scholz bewusst in Schieflage gebracht. Mit seriöser Finanzpolitik hat diese sogenannte Sozialgarantie 2021 rein gar nichts zu tun. Versicherte werden zudem auch gleich doppelt belastet. Man nimmt den Versicherten nicht nur die Rücklagen weg, gleichzeitig soll dann auch noch der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz in der Gesetzlichen Krankenversicherung auf 1,3 Prozentpunkte steigen.

Wie gehts weiter?

Wir werden den morgigen Tag nutzen und den Grundsatzausschuss und Finanzausschuss gemeinsam tagen lassen. Klar ist. Wir werden uns als Selbstverwaltung, aber vor allem auch in unseren politischen Funktionen beim DGB und in den Gewerkschaften gemeinsam mit den Arbeitgebern entschieden dagegen wehren, dass die Kosten der Pandemie auf die Beschäftigten abgewälzt werden.

Für den DGB Hessen-Thüringen habe ich bereits in Interviews und Meldungen öffentlich den Protest deutlich gemacht und wir haben die Landesregierungen von Hessen und Thüringen auch schon aufgefordert, den breiten Protest von Sozialpartnern und Krankenkassen gegen die Pläne der Bundesregierung im Interesse der Versicherten und ihrer Arbeitgeber zu unterstützen. Unterstützung kam prompt von der Thüringer Arbeits- und Gesundheitsministerin Heike Werner.

Leute, gerade die Corona-Pandemie hat doch gezeigt, wie wichtig ein funktionierendes und finanziell gut aufgestelltes Gesundheitssystem ist. Daher muss der Steuerzuschuss zur Stabilisierung des GKV-Systems, die Pandemie bedingten Zusatzkosten übernehmen. Jedes Mal gibt es dann die selben Debatten um die Finanzierung. Auch hier deutlich 2 konkrete Punkte.

1. Die Einführung einer Vermögenssteuer ist eine politisch längst überfällige Maßnahme. Warum Spahn und Scholz darauf nicht selber kommen? 😉

2. Wir brauchen für den Bereich der Sozialversicherungen politische Entscheidungen, die das System auf breitere Schultern stellen. Eine Bürger*innenversicherung unter Einbeziehung aller Einkommensarten wäre ein Anfang und auch die Privaten Krankenversicherungen sollten endlich mit zur Finanzierung herangezogen werden.

Unsere Ansage ist klar und deutlich. Die Beschäftigten werden nicht noch mal zusätzlich für diese Krise zahlen. Das muss politisch geklärt werden. Und den Herren Spahn und Scholz sei es ins Stammbuch geschrieben. Wir werden uns als Selbstverwaltung, gemeinsam mit den Arbeitgeberverbänden, deutlich öffentlich äußern, auch und gerade mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl. Millionen von Arbeitnehmer*innen stehen 2021 vor einer Wahlentscheidung. Wir werden bei dieser Entscheidung sicher eine gewisse beratende Rolle spielen.


Die Tarifrunde im Öffentlichen Dienst ist politischer Verteilungskampf. Von Applaus und Lob kann niemand gut leben.

23. September 2020
GEW, ver.di, GdP und IG BAU Mitglieder kämpfen gemeinsam

Die Tarifrunde im Öffentlichen Dienst ist in diesem Jahr noch viel grundsätzlicher als in den letzten Jahren.

Es geht bei dieser Tarifrunde um die ernsthafte gesellschaftspolitische Fragestellung. Was ist uns die öffentliche Daseinsvorsorge wert? Applaus gab es von vielen Stellen. Tausende Beiträge von Politiker*innen in den sozialen Netzwerken überbrachten Lob und Dankesworte.

Die selben Politiker*innen müssen jetzt entscheiden. Von Lob und Dankesworten oder Applaus, kann sich niemand etwas kaufen.

Es geht um Verteilungsgerechtigkeit. Es geht unter anderem um die Frage, was uns die Betreuung unserer Kinder oder die Pflege in Altenheimen und Krankenhäusern wert ist.

Die Forderung von ver.di, GEW, GdP, IG BAU nach 4,8 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 150 Euro, nach 100 Euro für alle Auszubildenden und nach einer Arbeitszeitangleichung im Osten an das Westgebiet ist selbstverständlich finanzierbar. Herangezogen werden müssen dafür aber auch endlich die Superreichen.

Begreifen wir diese Tarifrunde als das was sie ist. Sie ist der Auftakt zu den politischen Verteilungsauseinandersetzungen um die Verteilung der Krisenkosten. Vermögenssteuer, Vermögensabgabe oder wie auch immer es genannt werden soll. Das Geld ist da. Es wird nur nicht abgeholt und umverteilt.

Ich persönlich unterstütze diesen Kampf genauso wie den Arbeitskampf in der Automobilzuliefererindustrie oder bspw. bei der Deutschen Post.

Stellen wir uns doch auf und an die Seite all Jener, die in der Krise, trotz aller auch persönlichen Gefahren, unseren Müll weggebracht, unsere Kinder betreut und unsere Kranken und Alten gepflegt und betreut haben.

Applaus Applaus reicht nicht aus. Systemrelevanz muss sich am Ende auch im Geldbeutel widerspiegeln. Glück auf. Euer Kampf ist auch unser Kampf, liebe Kolleg*innen.


Corona Demos. Inhaltsleere Aufrufe mit gefährlicher politischer Begleitmusik. Das Problem sind nicht die Masken sondern Rassismus und eiskalter Kapitalismus.

30. August 2020
Demonstrationen, die sich wirklich lohnen

Zum 2. Mal wurde nun Berlin zum Aufmarschort für Menschen, die aus welchen Gründen auch immer, mit den bisherigen vor allem stattlichen Maßnahmen und Regelungen zur Eindämmung des Corona Virus, nicht einverstanden sind bzw. die durchaus von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen Maßnahmen entweder nicht verstehen oder direkt ablehnen. Diese Demonstrationen für sich genommen sind in einer Demokratie erstmal völlig „normal“. Vielmehr ist es die politische Begleitmusik, die uns Sorge machen muss. Denn…

… die Organisatoren der Demonstration erklären sich einfach für unpolitisch und tun so als wüssten sie nichts von den antidemokratischen, menschenfeindlichen, rassistischen und antisemitischen Gruppen und Parteien, die dieses politische Beteiligungsangebot natürlich großzügig nutzen. Das war übrigens schon in Stuttgart so und ich wage die Behauptung, dass Herr Ballweg und sein Team sehr genau wissen, wer zu diesen Demonstrationen mit aufruft. AfD, NPD und III. Weg seien nur stellvertretend hier einfach mal genannt.

Zum Vergleich und da ich auch keine Lust mehr auf diese ständige Relativierung habe. Im Jahr 2015 ff. demonstrierte Bernd Höcke in Erfurt unter verschiedenen rassistischen Claims und immer gemeinsam mit der extrem rechten Szene vor allem aus Thüringen und Sachsen. Auch hier betonte, der nach gerichtlichen Maßstäben als Faschist zu bezeichnende AfD Vertreter Höcke immer wieder, dass er, also Höcke selbst, ja nicht wissen könne wer alles auf diese Demonstrationen käme. Jene Teilnehmenden, aus dem extrem Rechten Spektrum, machten dann übrigens Jagd auf Menschen aus der demokratischen Zivilgesellschaft und überfordern dabei nicht nur die eilig zusammen gezogene Polizei, die schwere Übergriffe und dadurch verletzte Menschen letztlich nicht mehr verhindern konnte. Wer das einordnen möchte, kann in diesem Interview meinen Augenzeugenbericht von damals anhören. Hier der Link

Ich ordne diese Thüringer Erfahrung grundsätzlich mit Blick auf die derzeitigen Demos ein, weil wir uns seinerzeit in Thüringen massiven, persönlichen und körperlichen Angriffen von so genannten unpolitischen besorgten Bürger*innen ausgesetzt sahen, die im Zusammenspiel mit gewaltbereiten Neonazistrukturen tatsächlich ein Klima der Angst schaffen konnten und es Bereiche gibt, in denen diese Symbiose jederzeit abrufbar weiter existiert. Kurzum. Rassistische & antisemitische Übergriffe werden von einem Teil der bürgerlichen Gesellschaft nicht nur ignoriert sondern schlicht wohlwollend zur Kenntnis genommen. Die Corona Maßnahmen gemeinsam angreifen, dass geht nicht nur in Stuttgart und Berlin Hand in Hand mit Gewalt affinen Neonazis. In Gera, Erfurt und anderen Thüringer Städten gab und gibt es diese, als Spaziergänge verharmlosten, gemeinsamen Demos ebenfalls.

Geht es bei den Demonstrationen wirklich um die Rücknahme der Maßnahmen zur Eindämmung eines tödlichen Virus?

Ich habe mir die Forderungen der Veranstalter in aller Ruhe angeschaut und danach vor allem das zentrale Argument der Demonstrierenden zur fehlenden Glaubwürdigkeit der aktuellen Politik. Erstaunliches ist im Ersten Teil natürlich nicht heraus gekommen. Ich schaffe eine kurze Übersicht zum Verständnis. Was wollen die Aufrufenden? Ich weiß es nicht und zitiere einfach.

Zentrale Forderung im Aufruf zur Demonstration ist der Satz. Wir bestehen auf die ersten 20 Artikel unserer Verfassung, insbesondere auf die Aufhebung der Einschränkungen durch die Corona-Verordnung von.

  • Artikel 1: Menschenwürde – Menschenrechte
  • Rechtsverbindlichkeit der Grundrechte
  • Artikel 2: Persönliche Freiheitsrechte
  • Artikel 4: Glaubens- und Gewissensfreiheit
  • Artikel 5: Freiheit der Meinung, Kunst und Wissenschaft
  • Artikel 7: Schulwesen
  • Artikel 8: Versammlungsfreiheit
  • Artikel 11: Freizügigkeit
  • Artikel 12: Berufsfreiheit
  • Artikel 13: Unverletzlichkeit der Wohnung

Dann wird auf die Überparteilichkeit verwiesen und das keine Meinung ausgeschlossen wird und alle Parteien werden aufgefordert, Originalzitat: „ihre Parteiprogramme auf die neue Lage anzupassen und den Bürgern darzustellen, wie und unter welchen Lebensumständen in der Sonderlage Pandemie zu rechnen ist. Außerdem sollen Neuwahlen im Oktober 2020 durchgeführt werden.“

Nachdem ich mir nun diesen Aufruf wirklich dutzende Male durchgelesen habe, bleibt für mich schwer verständlich, wieso Menschen einem solch diffusen und vor allem auf keinen untermauerten Fakten basierenden Aufruf folgen. Von den Widersprüchlichkeiten im Bezug auf bestimmte Grundgesetzartikel ganz zu schweigen. Könnte es also sein, dass es gar nicht auf den inhaltlichen Aufruf ankommt? Wenn 18.000 Menschen nach Berlin fahren um zu demonstrieren, dann folgen diese nicht einem solch völlig unsinnigen Aufruf wie dem hier dokumentierten Aufruf der Veranstalter. Nein, sie folgen einem damit verbundenen emotional aufgeladenen Gefühl.

Tatsächlich bietet der Aufruf nach Berlin zentrale Elemente an, die schon immer, ob Tatsachen basiert oder nur frei behauptet, Emotionen erzeugt haben. Entscheidender dürfte die politische Begleitmusik und Sprache derjenigen sein, die zur Demonstration mit aufrufen. Wer sich einen Überblick verschaffen möchte, kann dies auf den Facebookseiten von AfD Abgeordneten, aber auch auf den einschlägigen bekannten Seiten der Neuen Rechten tun. Ich möchte keine Werbung machen und stelle hier keine Links zur Verfügung. Ich wage aber Thesen…

Es geht nur den Wenigsten um die angeordneten staatlichen Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit. Dem größten Teil der Teilnehmenden geht es darum, die derzeit Regierenden anzugreifen, Wut auf das angeblich diktatorische System zu artikulieren und Teil einer Bewegung zu sein, die „dieses System mit allen Mitteln beseitigt“.

Wenn die Veranstalter und Aufrufenden dieser Demos weiter auf Bilder verweisen können, in denen Politiker*innen aller Parteien ohne Mund Nasen Bedeckung und ohne Abstand auf politischen Veranstaltungen für sich werben, dann werden sich immer wieder Menschen finden, die mit demonstrieren. Eine Teilschuld tragen also politisch Verantwortliche, die Schutzmaßnahmen anordnen und diese selbst nicht befolgen wollen oder können.

Wenn Faschisten wie unter anderem Bernd Höcke weiterhin durch Sommerinterviews ihre sowieso schon starke Reichweite erhöhen können, gibt es für verunsicherte Menschen keinen Grund, nicht seinem Aufruf zu solchen Demonstrationen zu folgen. Höcke hatte im Sommerinterview mit dem MDR übrigens die Pandemie für beendet erklärt. Zur besten Sendezeit und online abrufbar.

Wenn die Verantwortlichen der Sozialen Netzwerke nicht endlich beginnen rassistische, sexistische, antisemitische und weitere Menschen verachtende Kommentare und vor allem die Urheber*innen zu melden und auszuschließen, dann wird auch hier die Normalisierung von Hass und Hetze weitergehen.

Wenn die einstmals großen gesellschaftlichen Organisationen nicht endlich laut und deutlich und vor allem geschlossen und nicht nur einzeln Stellung beziehen und damit der schweigenden, verunsicherten Mehrheit für den Kampf um die Demokratie den Rücken stärken, dann wird die Verunsicherung bleiben und noch mehr Menschen wenden sich ab.

Wenn CDU, FDP aber auch Vertreter*innen der SPD immer wieder Antifaschist*innen und Antirassist*innen, also Menschen die sich gegen Rassismus engagieren als Extremist*innen diffamieren, machen sie damit einen Teil der Arbeit für die extreme Rechte selbst und tragen ebenso zur Verunsicherung bei.

Wenn rassistisch motivierte Morde weiterhin als Einzeltaten gewertet werden, die Tatsache von extrem rechten Netzwerken in staatlichen Organen weiter einfach hingenommen und die Verankerung von Rassismus mitten in der Gesellschaft nicht endlich offensiv bekämpft wird, dann wird’s eng für den demokratisch verfassten Rechtsstaat.

Alles was ich gerade hier an Thesen und Antworten zusammengefasst habe ist aber nicht neu. Wenn wir über die Corona Demonstrationen in Berlin sprechen, müssen wir diese bitte gesellschaftspolitisch einordnen in eine Zeit, in der es eine Partei gibt, die mit Ängsten Politik macht. Erst war es Europa, dann waren es Menschen die Schutz suchten. Nun ist es ein tödliches Virus, dessen Verbreitung durch konkrete Schutzmaßnahmen eingedämmt werden konnte. Um diese Maßnahmen geht es Jenen aber nicht, die mit Symbolik wie einem „Sturm auf den Reichstag“ weiter politisches Framing betreiben wollen und dabei tatsächlich von uns bewusst oder unbewusst in den sozialen Medien durchaus Unterstützung erhalten.

Das eigentliche Problem ist doch, dass Rassismus, Antisemitismus und Menschenverachtung längst mit Fraktionsstatus in allen Landtagen und im Bundestag sitzen und auf die drängenden Fragen zum Umgang mit den Folgen der Pandemie keine Antwort hat.

Mein Fazit: Ja die Herausforderungen sind nicht kleiner geworden. Ich wünsche mir Demonstrationen zu den wirklich drängenden sozialen Problemen. Mund-Nasen-Bedeckung und Abstand inklusive sollten wir Demonstrationen organisieren, die sich deutlich gegen Rassismus wenden und gleichzeitig die Eigentums- und Machtverhältnisse im Kapitalismus in Frage stellen. Das gibt deutliche Orientierung für die derzeit Verunsicherten. Unsere wirklichen Probleme heißen Rassismus und Kapitalismus.


GEW Thüringen: Neustart im Regelbetrieb: Was in Kitas und Schulen jetzt wichtig wäre

26. August 2020

Die Bildungsgewerkschaft GEW THÜRINGEN ist die größte Interessenvertretung in Thüringen im Bildungsbereich. Sie organisiert aktive und ehemalige Beschäftigte an den Thüringer Bildungseinrichtungen. Schwerpunkte der politischen Arbeit sind die Bildungsgerechtigkeit, die Lern- und Arbeitsbedingungen an Kitas, Schulen, Hochschulen und anderen Bildungseinrichtungen sowie die Angestellten-, Beamten- und Tarifpolitik.

Die GEW Landesvorsitzende Kathrin Vitzthum hat nun gemeinsam mit dem GEW Vorstand in Thüringen Stellung genommen zum Thema Neustart in den Thüringer Kitas und Schulen. Und was soll ich sagen. Die GEW spricht mir als Vater und Gewerkschafter aus dem Herzen.

An keinem Arbeitsplatz müssen Beschäftigte auf Abstand verzichten nur nicht in Kita und Schule. Deshalb fordert die GEW Thüringen von der Landesregierung, mehr als bisher Maßnahmen zum Schutz von Kindern, Jugendlichen und den Beschäftigten an Kindergärten und Schulen zu ergreifen.

Die Bildungseinrichtungen in Thüringen können nur dann wirksam vor dem Infektionsgeschehen geschützt werden, wenn sich alle Mitmenschen an die Eindämmungsvorschriften halten. Abstand halten und das Tragen von Mund-Nase-Schutz sind weiterhin notwendige Regeln, das Infektionsrisiko zu senken. Ein besonderer Appell richtet sich daher auch an Eltern, gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen auf die Einhaltung der Regeln zu achten und diese einzuüben.

Die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales erlassenen Arbeitsschutzregeln müssen in vollem Umfang auch für die Beschäftigten an Bildungseinrichtungen gelten, unabhängig von dem vom Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (TMBJS) vorgelegten Stufenkonzept. „Denn Lehrerinnen und Lehrer wollen nicht Arbeitnehmer zweiter Klasse sein, aber genau das beobachten wir in Thüringen mit den aktuellen Regelungen“, so Kathrin Vitzthum, Landesvorsitzende der GEW Thüringen.

Im Einzelnen bedeutet dies: 

Wo es die räumlichen und personellen Bedingungen zulassen, müssen die Gruppen- und Klassengrößen reduziert und die verschiedenen Formate von Präsenz- und Distanzunterricht eingesetzt werden.

Sind Abstandsregeln nicht einzuhalten oder erlauben die räumlichen Bedingungen keine regelmäßige und ausreichende Lüftung, sollen Schulkonferenzen über die Maskenpflicht im Unterricht entscheiden. Die Menschen vor Ort können am besten entscheiden, welche Maßnahmen vor Ort ergriffen werden sollten. Bei Maskenpflicht im Unterricht und in den kalten Monaten zur Lüftung muss die Unterrichtszeit gekürzt werden.

Beschäftigte, Kinder und Jugendliche, die selbst zur Risikogruppe gehören oder im Haushalt lebende Angehörige haben, die zur Risikogruppe zählen, müssen unbürokratisch von der Präsenzpflicht befreit werden. 

Es sind ausreichend Testkapazitäten bereitzuhalten. Dringend geklärt werden muss der Umgang mit Beschäftigten sowie Kindern und Jugendlichen, die als Reiserückkehrer*innen auf Testung verzichten. Der Schutz aller an Bildungseinrichtungen hat absoluten Vorrang vor dem Individualinteresse des Einzelnen. 

Die Ausstattung mit digitalen Endgeräten für Lehrkräfte und Schüler*innen muss schnellstmöglich erfolgen. Dabei sind vorrangig sozial Benachteiligte zu berücksichtigen. Schulen müssen die notwendige Unterstützung durch Systemadministratoren erhalten. 

Das Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung u. Medien (ThILLM) muss bei Gestaltung und Wartung der Thüringer Schulcloud mit den notwendigen personellen und technischen Ressourcen ausgestattet werden. 

Gemeinsam mit den Schulträgern müssen für die kommenden Monate Lüftungskonzepte erarbeitet und die notwendigen baulichen Maßnahmen sowie Anschaffung von technischen Geräten umgesetzt werden. 

Schule ist mehr als ein Lernraum mit alleinigem Fokus auf Unterricht. Die Verpflichtung, am Beginn des Schuljahres 2020/21 schnellstmöglich viele Noten zu machen, steht den Bedürfnissen und Rechten von Schüler*innen entgegen. Die Anweisung ist zurückzunehmen. 

Die GEW Thüringen erwartet ein planvolles und umsichtiges Agieren mit dem Start im Regelbetrieb und fordert das TMBJS auf, über ein Monitoring die Personalvertretungen und die Gewerkschaften an der weiteren Gestaltung des Kita- und Schulbetriebs zu beteiligen. Die Mitbestimmungsrechte der Personalvertretungen sind in jedem Falle zu beachten.


Warum Angriffe auf Gewerkschaften immer falsch sind… Eine sachliche Antwort auf die Thüringer Finanzministerin und eben eine politische Gegenerklärung.

10. August 2020

Immer dann, wenn größere Tarifrunden anstehen melden sich hin und wieder auch führende Politiker*innen zu Wort. Mal erklären sie ihre große Freude und Solidarität mit den Streikenden und ihren Gewerkschaften. Ein anderes Mal sind sie dann der Meinung, dass es sich um überbordende Forderungen der Gewerkschaften handelt und diese sich doch bitte mal mäßigen sollen. Auch in Thüringen, während einer Landesregierung aus LINKE, SPD und Grüne, kommt so etwas vor.

Kurzer Exkurs. Es war im Juni 2015. Ich war seit ein paar Monaten in Gesprächen mit den Abgeordneten und Minister*innen dieser damals doch recht neuen Koalition R2G. Ich wollte heraus finden, welche Möglichkeiten es gibt , politische Initiativen zur Tarifbindung zu starten. Mitten in diesen recht gut laufenden Gesprächen passierte es. Die damalige Abgeordnete Babette Pfefferlein äußerte sich deutlich in einem Interview, dass die Gewerkschaften sich etwas mehr zurück halten sollten. Ich schrieb ihr einen deutlichen Brief, verbunden mit dem Angebot sich über die Abläufe innerhalb von Gewerkschaften zu unterhalten und dabei zu lernen, wie gewerkschaftliche Lohnforderungen entstehen. Zugegeben, das war eine ziemliche Provokation, die auch noch mit der Forderung meinerseits verbunden war, sich aus genau dieser Lohnfindung zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberseite herauszuhalten. Im Laufe der letzten 5 Jahre gab es dann doch einige, aus DGB Perspektive, erfreuliche Entwicklungen. Vor allem Abgeordnete und Minister von LINKE und SPD bekannten sich klar zur gewerkschaftlichen Organisation und unterstützten persönlich auf Streikaktionen unsere Kolleg*innen. Immer ohne sich direkt und persönlich einzumischen. Eine wirklich gute Entwicklung, will ich doch meinen. Ich traf übrigens auch Babette, wir hatten intensiv gesprochen, immer mal wieder auf Aktionen an.

Nun könnte ich hier einen Punkt machen. Kann und will ich aber nicht. Wir sind jetzt im Jahr 2020 und die politischen Debatten verschärfen sich derzeit wieder deutlich und es geht, neben der Stimmung, vor allem um den öffentlichen Dienst und um eine ziemlich verschärfte Auseinandersetzung und einen durch die Thüringer Finanzministerin erhobenen Vorwurf im Rahmen eines Interviews mit der Tageszeitung Freies Wort gegenüber einer DGB Gewerkschaft, die vor allem eines ziemlich gut und auch berechtigt oftmals lautstark macht. Ihre Arbeit als politisch unabhängige, gewerkschaftliche Vertretung für die organisierten und noch nicht organisierten Beschäftigten im Öffentlichen Dienst.

Der Vorwurf der Ministerin zusammenfasst: Die GEW würde sich ja nur für bestimmte Berufsgruppen stark machen. Aus Sicht der Ministerin gibt es da ja unter anderem auch noch die Automobilindustrie, in der es ja wichtige Kämpfe gibt und auch sonst würde bildlich gesprochen die GEW sich nur stark machen für das Thema Lehrer*innen und A13 für Alle und die Schulsozialarbeiter*innen ausblenden, die ja viel schlechter bezahlt sind. Besonders bemerkenswert fand ich dann übrigens noch das Zitat: „Ich finde nur, dass man in jeder Situation die richtige Forderung aufmachen sollte.“ Zum Schluss verweist die Finanzministerin ziemlich deutlich auf die Verwaltung als großen Tanker, in dem zu wenig voran geht und trotz Sicherheit der Arbeitsplätze zu wenig Innovation stattfindet. Auf die Frage, des Journalisten Sebastian Haak, der dankenswerterweise dieses deutliche Interview geführt hat und wissen will warum die Mitarbeiter*innen in der Verwaltung im Öffentlichen Dienst so wenig hinterfragen, antwortet die Ministerin. „Aus Bequemlichkeit“. Das ist eine ziemliche Kampfansage an die eigenen Beschäftigten im Öffentlichen Dienst. Ob das dann die viel beschworene Wertschätzung ist?

Ich nehme übrigens die Argumentation der Ministerin sehr ernst. In den letzten Tarifauseinandersetzungen im Öffentlichen Dienst durften wir ja dann auch erfahren, dass aus der einst auch in unseren Kreisen so beliebten und durchsetzungsfähigen Sozialministerin, eine sehr erfahrene, strategisch kluge und durchsetzungsfähige Finanzministerin geworden ist. Strategisch klug war es seinerzeit übrigens, das Landtagsmandat zu behalten um damit die Koalition in Haushaltsfragen im Zweifel unter Kontrolle behalten zu können. Da hatte man noch eine Stimme Mehrheit. Das war im Zweifel immer die Stimme der Finanzministerin.

Zurück zu den zentralen Kritikpunkten der Ministerin an Gewerkschaften und damit verbunden natürlich Widerspruch und Aufklärung.

Heike Taubert analysiert erstmal, dass größere Gewerkschaften viel mehr Einfluss haben. Dann spricht sie davon, dass sie von Lehrer*innen persönlich angesprochen wird und auch im persönlichen Umfeld gefragt wird, ob sie etwas gegen Lehrer*innen hätte. Punkt für die GEW. So geht halt gute Lobbyarbeit. Das Argument, wer groß ist hat mehr Einfluss, wird im gleichen Absatz also auch noch selbst widerlegt. Wenn in der Debatte um A13 für Grundschullehrer*innen die Ministerin im persönlichen Umfeld sogar unter Druck gerät, dann sind die GEW Mitglieder sehr überzeugt von der eigenen Forderung und stehen für die Forderung solidarisch ein. Das macht Stärke einer Gewerkschaft aus. Die Ministerin hat das gut erkannt und beschrieben. Zieht aber leider die falschen Schlüsse daraus.

Heike Taubert verweist im Vergleich mit der freien Wirtschaft auf die Vorteile des öffentlichen Dienstes und des Beamtentums und macht deutlich, dass es für Beschäftigte bspw. in der Automobilindustrie viel härtere Kämpfe gibt. Auch hier ist der Ministerin wenig zu widersprechen. Es gibt zwar im Öffentlichen Dienst auch Bereiche, die schlechter bezahlt sind und mit Befristungen umgehen müssen, aber in der Gesamtschau ist der Vergleich sicher zulässig. Nur wird hierbei übersehen, dass der durch die Ministerin angesprochene Bereich nicht von der GEW, sondern von den Industriegewerkschaften, allen voran der IG Metall organisiert und tarifiert wird. Die IG Metall befindet sich ebenso unter dem Dach des DGB wie die GEW und intern und auch außen ist klar. Wir lassen uns nicht spalten. Der Kampf um Gute Arbeitsbedingungen und faire Entlohnung unterscheidet sich nicht vom Kampf um faire Besoldung und gute Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst. Nur im Bereich des Öffentlichen Dienstes entscheiden eben Minister*innen und letztlich Abgeordnete über die zur Verfügung stehenden Mitteln. Zentral ist, liebe Finanzministerin. Die DGB Gewerkschaften vertreten die Interessen sowohl der Angestellten und Beamt*innen und eben auch der Arbeiter*innen in der freien Wirtschaft. Oft ein Spagat. Aber spalten lassen wir uns unter dem DGB Dach nicht.

Zu meinen Lieblingszitat aus dem Interview. „„Ich finde nur, dass man in jeder Situation die richtige Forderung aufmachen sollte.“ Das war die Antwort der Ministerin auf die Frage, ob Gewerkschaften zu viel Einfluss in Thüringen haben. Nehmen wir den Satz so wie er ist. Politisch betrachtet, will die Ministerin den Ansprüchen ihrer Ministerkolleg*innen so weit nachkommen, wie es aus ihrer Sicht finanziell möglich ist. Mit dem durchaus die ganze Landesregierung betreffenden verengten Blick auf die Ausgaben des Landes (die Einnahmeseite stärken ist Thema anderer Beiträge und Vorschläge des DGB und der Gewerkschaften, Stichwort Umverteilung), ist die Antwort der Ministerin und der damit verbundene Vorwurf an die Gewerkschaften wohlfeil und gleichzeitig aber sprachlich verräterisch. Ich weiß nicht, was eine Ministerin der SPD dazu bringt zu erklären, dass starke Gewerkschaften immer wichtig sind, aber angesichts von weniger Einnahmen, diese Gewerkschaften sich dann mit Blick auf die Gesamtlage zurück halten sollen. Deutliche Ansage hier meinerseits: Nicht die Kassenlage eines Landes entscheidet über die materiellen oder finanziellen Forderungen von Gewerkschaften, sondern die demokratische Abstimmung der Gewerkschaftsmitglieder in ihren Organisationen selbst. Wenn bspw. die Mitglieder der GEW A13 für alle beschließen und darum kämpfen und eine Ministerin findet, dass dies gerade nicht in die Zeit passt. Was ist das dann? Zumindest und zum Glück entscheidet diese Frage der Thüringer Landtag und nicht eine Ministerin alleine. Ich bin aber dankbar, für diese klare Position, die aufzeigt worum es eigentlich geht. Es geht um Machtfragen. Und die A 13 für Alle wird übrigens irgendwann kommen.

Nun überlege ich im letzten Absatz, wie ich noch versöhnlich enden kann. Im Grunde genommen darf Mensch dem Journalisten Sebastian Haak und der Thüringer Finanzministerin Heike Taubert dankbar sein. Angriffe auf Gewerkschaften gibt es immer wieder. Sachlich gerechtfertigt sind diese eigentlich nie. Emotional kann ich manches einordnen. Die DGB Gewerkschaften, nicht nur im Öffentlichen Dienst, vertreten lautstark und öffentlich die Interessen ihrer Mitglieder. Das haben wir bei reinen CDU Regierungen getan und das tun wir konstruktiv & kritisch bei allen andere Farbkombinationen. In der derzeitigen Konstellation wäre mir sicher lieber, wir würden viel mehr miteinander sprechen und Kompromisse aushandeln.

Übrigens Als die FDP mit Unterstützung der CDU, gemeinsame Sache mit der Partei der Faschisten gemacht hatte, waren die Gewerkschaften und ihre Mitglieder sofort zur Verteidigung der Demokratie auf der Straße und den Plätzen. Wenn unsere Positionen und Forderungen, die demokratisch durch unsere Mitglieder zustande kommen, durch Vertreter*innen egal welcher Parteien öffentlich verächtlich oder irgendwie als illegitim erklärt werden, klären wir das auf und im Zweifel tun wir dies laut und deutlich.

Kommentare und Kritik sind ausdrücklich erwünscht. 10.8.2020